Positive Erwartungen versetzen uns nicht nur in gute Stimmung, sie beeinflussen auch unseren Hirnstoffwechsel. Studien zeigen, dass beispielsweise das Belohnungssystem in solchen Situationen entscheidend mitmischt. Quasi in Vorwegnahme der erfreulichen Ereignisse oder Erfahrungen wird im Mittelhirn dann vermehrt der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet – das Hormon, das als einer der neurophysiologischen „Glücklichmacher“ gilt. Auch am Placebo-Effekt, der positiven Erwartung an die heilende Wirkung eines Medikaments oder einer Therapie, ist das Belohnungssystem beteiligt. „Die Erwartung einer klinischen Besserung spielt eine Schlüsselrolle für den Placebo-Effekt“, erklären Tamar Ben-Shaanan vom Israelischen Institut für Technologie in Haifa und ihre Kollegen. Aus Studien weiß man, dass allein die Hoffnung auf die Wirksamkeit einer Behandlung bis zu 30 Prozent der tatsächlichen Wirkung ausmachen kann. „Ob und wie aber das Belohnungssystem die physische Gesundheit und vor allem das Immunsystem beeinflusst, ist bisher unbekannt“, so die Forscher.
Um das herauszufinden, haben Ben-Shaanan und ihre Kollegen nun Mäuse sozusagen künstlich in positive Stimmung versetzt: Sie schleusten ihnen die genetische Bauanleitung für einen Rezeptor an Zellen des Mittelhirns ein – mitten in einem der Belohnungszentren. Diese Andockstellen ließen sich durch eine Designerdroge aktivieren und erzeugten dann künstlich bei den Mäusen eine Reaktion des Belohnungssystems, die der positiven Erwartungen und einer guten Stimmung entspricht. Ob schon diese Manipulation allein eine Veränderung im Immunsystem hervorruft, prüften die Forscher, indem sie 24 Stunden später Immunzellen aus Milz und Blut der Mäuse untersuchten und mit denen von unbehandelten Kontrollmäusen verglichen. Und tatsächlich: „Wir haben geringe, aber statistisch signifikante Veränderungen gefunden“, berichten die Wissenschaftler. So stieg die Menge bestimmter Immunbotenstoffe an – allerdings hielten sich dabei positive und negativ wirkende die Waage. „Wir vermuteten daher, dass der Effekt des Belohnungssystems auf das Immunsystem erst dann deutlicher sichtbar wird, wenn die Abwehr herausgefordert wird“, erklären Ben-Shaanan und ihre Kollegen.
Aktiver beim Erregerangriff
Deshalb gingen die Wissenschaftler nun einen Schritt weiter: Eine Gruppe weiterer künstlich in Hochstimmung versetzter Mäuse bekam eine Lösung des Darmkeims Escherichia coli injiziert – ein Angriff bakterieller Erreger, auf die die Immunabwehr der Mäuse reagieren musste. Diesmal fielen die Unterschiede zu den unbehandelten Mäusen erheblich deutlicher aus: In der Bauchhöhle der Tiere waren mehr Abwehrzellen unterwegs und auch ihre Fress- und Killerzellen waren aktiver. Als Folge schafften es die positiv gestimmten Mäuse besser, ihre bakteriellen Erreger zu bekämpfen. „Vier Stunden nach der Bakteriengabe fanden wir in der Leber der Mäuse mit aktiviertem Belohnungssystem deutlich weniger Bakterien“, berichten Ban-Shaanan und ihre Kollegen. Auch die nichtzelluläre Immunabwehr war stärker mobilisiert: Im Vergleich zu den Kontrolltieren wiesen die Forscher 86 Prozent mehr Escherichia-coli-spezifische Antikörper im Blut der Tiere nach. „Zusammengenommen belegen diese Ergebnisse, dass das Belohnungssystem sowohl die angeborene als auch die adaptive Immunabwehr in ihrer Reaktion auf Erreger stärkt“, konstatieren die Wissenschaftler.
Dieser Zusammenhang wirft allerdings die Frage auf, auf welchem Wege das Belohnungssystem die Immunabwehr ankurbelt. Die Antwort darauf zeigte sich in einem weiteren Versuch: Blockierten die Forscher die Signale des sympathischen Nervensystems, blieb trotz künstlicher Hochstimmung der Mäuse die verstärkte Immunreaktion aus. „Das spricht dafür, dass das Signal vom Belohnungssystem zumindest zum Teil vom Sympathicus übertragen wird“, sagen Ben Shaanan und ihre Kollegen. Das vegetative Nervensystem agiert demnach als Brücke zwischen Gehirn und Immunsystem. Nach Ansicht der Forscher könnte dies auch ein neues Licht auf das Phänomen des Placebo-Effekts werfen. Denn der Wirkmechanismus erklärt, wie positive Erwartungen medizinisch messbare Effekte bewirken können.
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