Unsere Darmflora

Der Darm ist der Mittelpunkt für viele wichtigen Prozesse im Körper, die essenziell für die menschliche Gesundheit sind. Er erledigt lebensnotwendige Aufgaben jedoch benötigt er dafür die Hilfe seiner kleinen Bewohner. Es befinden sich Billionen von ihnen im menschlichen Darm: die Bakterien. Sie zählen zu den Mikroorganismen und leben in erster Linie im Dickdarm. Gemeinsam – also in ihrer Gesamtheit – bezeichnet man sie als „Darmflora“. Der Begriff „Flora“ ist allerdings nicht mehr zeitgerecht, denn er beruht noch immer der alten Ansicht, dass die mikroskopisch kleinen Lebewesen zu den Pflanzen gezählt werden. Die Besonderheit der Darmflora ist ihre Bedeutung für das Immunsystem.

Inhaltsverzeichnis

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Entstehung der Darmflora

Wie kamen die Bakterien in unseren Darm?

Ein gesundes Darmmikrobiom (Darmflora) in unserem Verdauungstrakt, bildet die Grundlage für unser allgemeines Wohlbefinden. Erst mit der Geburt beginnt die Besiedelung des Darms mit den nützlichen Bakterien und den anderen Mikroorganismen. Die Besiedelung hängt davon ab, ob die Geburt vaginal oder mit einem Kaiserschnitt geschieht.

Bei einer vaginalen Geburt kommen die Kinder mit der Vaginalflora der Mutter in Berührung, was einen bedeutenden Einfluss auf das Mikrobiom des Kindes hat. Bei einem Kaiserschnitt hingegen werden bei den Kindern mehr Hautkeime und Krankenhauskeime nachgewiesen. Darum ist das Risiko Krankheiten zu erleiden ist bei Kaiserschnitt-Babys deutlich höher als bei denen, die bei einer natürlichen Geburt auf die Welt kommen. Vor allem ist zu erwähnen, dass bei einem Kaiserschnitt üblicherweise vorbeugend Antibiotika der Mutter verordnet werden. Das hat einen weiteren negativen Einfluss für die Keimflora von Mutter und Kind.

Was hat Stillen mit Bakterien im kindlichen Darm zu tun?

Nachdem das Kind auf der Welt ist, ist die Darmflora noch lange nicht „fertig“. Diese kann bis mehrere Wochen nach der Geburt weiter ausreifen. Mit der Ernährung von Muttermilch werden weitere Bakterien von der Mutter auf das Kind übertragen. Die Übertragung beginnt bereits mit der Haut, in dem das Kind von/aus der Brust trinkt und so die Bakterien vom Hautmikrobiom bereits übernommen werden. Über die Milchgänge gelangen die Keime in die Brust und damit in die Milch. 

Nach neuesten Kenntnissen wird diskutiert, dass ein endogener Transfer von Bakterien aus dem mütterlichen Darm über das Lymph-Blut-System in die Muttermilch stattfindet. Demnach enthalten gestillte Kinder die optimale Voraussetzung für die Entstehung einer optimalen Darmflora.

was stillen mit den darmbakterien im darm vom baby zu tun hat

Die Darmflora in der Schwangerschaft

Auch bei einer Schwangerschaft spielt unsere Darmflora eine zentrale Rolle, und zwar von der Empfängnis bis hin zur Geburt. Über eine „Schleimhautstraße“ gelangen jene nützlichen Laktobazillen, die Ihren Intimbereich gesund halten, vom Rektum aus an ihren Bestimmungsort und siedeln sich dort nachhaltig an. Diese Milchsäurebakterien halten nicht nur den Vaginalbereich gesund und verdrängen unerwünschte Pilze und Keime, auch bei der Empfängnis sind sie von großer Bedeutung.

Darm mit seiner Darmflora - viele verschiedene Bakterien

Aufbau der Darmflora

Der Darm eines gesunden Erwachsenen ist von etwa 100 Billionen Bakterien besiedelt. Diese sind für unseren Körper sehr wichtig, da sie unter anderem für die Produktion von wichtigen Vitaminen (z.B. Vitamin K), Hormonen, Aminosäuren und kurzkettigen Fettsäuren zur Energieversorgung der Darmschleimhaut verantwortlich sind. 

Interessanterweise setzt sich diese enorme Zahl an Bakterien aus nur 500-1000 verschiedenen Bakterienarten zusammen, die wiederum in nur 4 verschiedene Abteilungen, sogenannte „Phyla“ eingeteilt werden: Firmicutes, Bacteroidetes, Proteobacteria und Actinobacter.

Über 99 % dieser Bakterien sind Anaerobier, was bedeutet, dass sie zum Überleben eine sauerstofffreie Umgebung benötigen. Dies mag erst einmal überraschend klingen, ist bei näherer Betrachtung jedoch logisch, da der Darm mit seinen dutzenden Metern Länge im Inneren faktisch keinen Sauerstoff enthält. 

So wie der Mensch, sind eben auch Bakterien echte Anpassungskünstler und wissen exakt wo sie sich ansiedeln müssen um optimal leben zu können. Die verschiedenen Bakterienarten sind deshalb in unterschiedlicher Weise über den Magen-Darm-Trakt verteilt.

Dünndarm wichtig für die Aufnahme von Nährstoffen aus der Nahrung

Dünndarm
- Längste Teil des Verdauungstrakts

Im Dünndarm ist nur ein kleiner Teil der gesamten Darmflora angesiedelt. In diesem Darmabschnitt findet man die bekanntesten Vertreter: Laktobazillen wie Lactobacillus acidophilus sorgen hier durch die Produktion von Milchsäure für die Aufrechterhaltung des entsprechenden pH-Wertes.

Kippt der pH-Wert im Dünndarm, kann dies einen Ausbruch von Krankheitserregern (Darmpilze!) zur Folge haben. Diese Milchsäurebakterien sind also fester Bestandteil eines funktionierenden Immunsystems – eine Verdrängung (möglich durch sehr salzhaltige Ernährung) hat schwerwiegende Folgen.

Dünndarm Darmflora Bakterien
Dickdarm mit den meisten Bakterien des Verdauungstrakts

Dickdarm
- Letzte Teil des Verdauungstrakts

Die im Dickdarm befindlichen Bakterien fermentieren Ballaststoffe zu wichtigen Mikronährstoffen. Ein prominentes probiotisches Bakterium der im Dickdarm angesiedelten Flora ist Bifidobacterium bifidum. Dieses nicht motile (=ortsansässig) Bakterium gehört zu den „Allroundern“ der Darmflora eines gesunden Erwachsenen. 

Qualitativ hochwertige Studien belegen eine Rolle von Bifidobacterium bifidum in der Prävention von Reizdarmsyndrom, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Stabilisierung des Cholesterinspiegels, Verbesserung von allergischen Symptomen und des Hautbildes, sowie des psychischen Stressempfindens, Schutz vor freien Radikalen und sogar eine mögliche Rolle in der Entstehung von Dickdarmkarzinomen.

Bifidobacterium bifidum gehört mit weiteren wichtigen probiotischen, im Dickdarm befindlichen Keimen wie z.B. Bifidobacterium breve, Lactobacillus brevis, Enterococcus durans oder Lactobacillus rhamnosus zu den sogenannten „Leitkeimstämmen“ – das bedeutet, dass sie essenziell am gesunden Aufbau einer funktionierenden Darmflora beteiligt sind, und dafür sorgen können, dass sich auch wichtige andere Bakterien im Darm vermehren können. 

Die Vielzahl von Bakterienstämmen erklärt, warum gerade im Dickdarm das ökologische Gleichgewicht sehr empfindlich reagiert und diese Schwachstelle spiegelt sich in der täglichen Praxis in Form einer Dysbiose wider.

Haut & Darmflora

Wie beeinflussen Bakterien unsere Haut?

„Unsere Haut ist der Spiegel unserer Seele“ ist ein bekanntes Sprichwort, welches oft nicht ganz zu Unrecht verwendet wird. Geht es uns emotional nicht gut, äußert sich das oft unbewusst in unserem Hautbild. Die Haut wirkt fahl, blass und bekommt Pickel oder Rötungen. Warum passiert das und welche Rolle spielt die Darmflora dabei?

Aufgaben der Darmflora

Als man das erste Mal Mikroorganismen im Darm entdeckte, hielt man diese für eine Erkrankung und benannte sie „intestinale Toxikämie“, was bedeutet „Vergiftung der Eingeweide“. Schließlich waren Bakterien als Krankheitserreger bekannt und gefürchtet. Mit speziellen Darmreinigungen oder sogar mit chirurgischer Entfernung des Dickdarms versuchten manche Ärzte, die „gefährlichen“ Bakterien zu vertreiben.

Mittlerweile steht fest, dass die Darmflora für den Menschen nicht schädlich, sondern sehr wichtig ist. Manche Nahrungsbestandteile könnten ohne die Darmbakterien nicht oder nicht vollständig verwertet werden. Darüber hinaus haben die Mikroorganismen der Darmflora noch weitere wichtige Funktionen:

  • Tragen zum Funktionieren unsers Immunsystems bei.
  • Bilden zum Teil das für die Blutgerinnung wichtige Vitamin K.
  • Tragen zur Energieversorgung der Zellen und der Darmschleimhaut bei.
  • Bauen Schadstoffe, wie z.B. krebsfördernde Substanzen, ab.
  • Verhindern, dass sich Krankheitserreger im Darm vermehren können.

Was bringt die Darmflora aus dem Gleichgewicht?

Der Darm und somit auch die Darmflora sind ein komplexes und selbstständiges Ökosystem, in dem eine Vielzahl verschiedener Arten lebt. Da die Umgebungsbedingungen im Darm zumindest bei gesunden Menschen konstant bleiben, ist dieses Ökosystem normalerweise relativ stabil. 

Allerdings gibt es Faktoren, die die Zusammensetzung der Bakterienbesiedlung negativ beeinflussen können.

Ernährung & Lebensstil
- Für einen gesunden Darm

Die tägliche Nahrungszufuhr hat einen erheblichen Einfluss auf das Darmmikrobiom. Als Nährstoff- und Energiequelle dienen den Mikroorganismen Nahrungsbestandteile, vor allem Ballaststoffe

Wissenschaftliche Studien belegten bereits seit längerem, dass ein Zusammenhang zwischen den Ernährungsgewohnheiten und der Beschaffenheit der Darmflora besteht. So wurde auch festgestellt, dass im Darm von übergewichtigen Menschen nicht nur andere Bakterienarten dominieren als bei Normalgewichtigen, sondern auch weniger Arten leben.

Medikamente
- Zerstören die Balance im Darm

Hier ist vor allem die Behandlung mit Antibiotika gemeint. Dabei handelt es sich um Medikamente, die Bakterien entweder in ihrem Wachstum hemmen oder zerstören. Bei der Bekämpfung von bakteriellen Infektionen ist die Verabreichung von Antibiotika meist erforderlich. Doch diese Medikamente Antibiotika zerstören nicht nur Krankheitserreger, sondern auch ganze Stämme der „guten“ Darmbakterien. 

Ist die Darmflora an der Entstehung mancher Krankheiten schuld?

Ein verändertes Mikrobiom wird zum Beispiel mit Magen-Darm-Erkrankungen, Übergewicht, Diabetes, Atherosklerose und Depression in Zusammenhang gebracht.

Heute weiß man bereits, dass der Bakterienhaushalt in unserem Körper für viele alltägliche Beschwerden, wie ein aufgeblähter Bauch oder Völlegefühl, schuld ist. Eine gesunde Darmflora ist somit das Um und Auf für das allgemeine Wohlbefinden.

Gesunde Darmflora

Um die Darmflora im Gleichgewicht zu halten, können einige Maßnahmen helfen:

Richtige Ernährung:

DO’s:

  • Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Karotten, Paprika, Heidel- oder Himbeeren, Kohl, Fenchel und Hülsenfrüchte wie Kichererbsen, Bohnen oder Linsen
  • Zeit nehmen beim Essen: Hinsetzen und gründliche kauen
  • Schonende Zubereitung (Dämpfen, leichtes Garen)
  • Vollkornprodukte: halten länger satt und regen die Darmmuskulatur an
  • Reichlich Wasser trinken

DONT’s:

  • Zuckerhaltige Getränke und Alkohol
  • Fettreiche oder stark zuckerhaltige Speisen
  • Frittieren oder zu heiß gebratenes Essen

Probiotika und Präbiotika:

Probiotische Bakterien sind lebende Mikroorganismen, die dem Menschen einen gesundheitlichen Vorteil bringen, wenn sie in ausreichender Menge in den Darm gelangen. Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen spezifischen, probiotischen Bakterien, die im menschlichen Darm nachweisbare, positive Effekte hervorrufen.

Um die wichtige Artenvielfalt der Darmbakterien zu erhalten bzw. optimale Bedingungen für die Darmbewohner zu schaffen, gibt es zwei Möglichkeiten: erstens die Zufuhr von Nahrung für die „guten“ Darmbakterien in Form von Präbiotika. Es handelt sich dabei um lösliche Ballaststoffe wie Pektin, Inulin und Oligofruktose. 

Diese kommen in zahlreichen Lebensmitteln vor, zum Beispiel in Hülsenfrüchten, bestimmten Gemüsesorten oder Nüssen, können aber auch gezielt durch präbiotische Produkte aus der Apotheke in ausreichend hoher Dosierung zugeführt werden.

Die zweite Möglichkeit ist die Einnahme von Probiotika, um die schädlichen Bakterien zu verdrängen und eine Dysbalance im Mikrobiom auszugleichen. Auch hier sollte auf ausgewählte Produkte aus der Apotheke gesetzt werden, welche strenge Qualitätskriterien erfüllen und deren Nutzen für das menschliche Wohlbefinden in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen wurde.

COVID-19:

Patienten haben häufig Störung der Darmflora

Bei einer COVID-19 Infektion kommt es häufig zu einer Veränderung der Darmflora, deren Ausmaß in einer Studie in Gut (2021; DOI: 10.1136/gutjnl-2020-323020) mit dem Schweregrad der Erkrankung assoziiert war. COVID-19 ist zwar in erster Linie eine Erkrankung der Atemwege. Das Coronavirus kann jedoch auch die Zellen der Darmschleimhaut infizieren. Der Darm ist zudem das größte immunologische Organ des Körpers, dessen Aufgabe darin besteht, die Darmbakterien zu kontrollieren. Da es bei einer schweren COVID-19 häufig zu einer Überaktivität des Immunsystems kommt, ist ein Einfluss der Darmflora durchaus vorstellbar.

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