Antientzündliche Therapie bei Darmerkrankungen reduziert das Parkinson-Risiko
Kernbotschaften
Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen entwickeln zu 28 % häufiger einen Morbus Parkinson. Wird die Darmerkrankung jedoch mit Anti-Tumornekrosefaktor Alfa (anti-TNFα) therapiert, so sinkt das Risiko für die Parkinson-Erkrankung und wird sogar niedriger als das in der Allgemeinbevölkerung.
Hintergrund
Entzündliche Prozesse gelten manchen Experten als gemeinsamer Nenner sowohl für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa als auch für die Parkinson-Erkrankung, die einer neuen Theorie zufolge vom Darm aus ihren Verlauf nehmen könnte. Diese Annahme würde gestützt, wenn eine Reduktion des Entzündungsprozesses mit Medikamenten die Wahrscheinlichkeit für eine spätere Parkinson-Erkrankung senkt – eine Hypothese, die in der aktuellen Studie überprüft wird.
Design
Retrospektive Kohortenstudie basierend auf Daten zu den Erstattungsansprüchen von mehr als 170 Millionen Patienten in den USA für den Zeitraum Januar 2000 bis März 2016. Ausgewählt wurden Personen ohne Parkinson-Erkrankung mit mindestens 2 Rezepten zu der Diagnose „Entzündliche Darmerkrankung“ und mindestens 6 Monaten Follow-Up. Die primären Studienziele waren die Inzidenzraten für IMenschen mit und ohne inflammatorische Darmerkrankungen mit und ohne Anti-TNFα-Therapie
Hauptergebnisse
- Aus der Datenbank konnten 144.018 Individuen mit entzündlichen Darmerkrankungen identifiziert und mit 720.090 Kontrollen gleichen Geschlechts und Alters verglichen werden. Die Zahl der Parkinson-Kranken in der gesamten Studienpopulation betrug 1796.
- Individuen mit entzündlichen Darmerkrankungen hatten gegenüber der Kontrollgruppe ein um 28 % erhöhtes Risiko, am Morbus Parkinson zu erkranken (95%-Konfidenzintervall 1,14 – 1,44, P<0,001).
- Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen, die mit Anti-TNFα behandelt wurden, hatten ein um 78 % geringeres Risiko, am Morbus Parkinson zu erkranken, als Patienten ohne Anti-TNFα-Therapie (95%-Konfidenzintervall 0,05-0,88, P=0,03).
Klinische Bedeutung
Die Studie ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der Morbus Parkinson eine frühe entzündliche Komponente haben und seinen Ursprung vom Darm aus nehmen könnte. Die unmittelbaren Auswirkungen auf die Praxis sind noch gering. Die Autoren sprechen zwar davon, dass ihre Ergebnisse die Grundlage für ein besseres Screening von Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen legten, doch dürften nicht alle Experten die Zunahme des relativen Risikos um 28 % dafür als hinreichend ansehen. Näherliegend scheint ein weiterer Vorschlag, nämlich den Nutzen einer Therapie mit Anti-TNFα bei Personen mit stark erhöhtem Parkinson-Risiko in einer kontrollierten Studie zu testen.
Literatur: Peter I et al. Anti–Tumor Necrosis Factor Therapy and Incidence of Parkinson Disease Among Patients With Inflammatory Bowel Disease. JAMA Neurol. 2018 Apr 23. doi: 10.1001/jamaneurol.2018.0605.