Margit Koudelka
Einfluss der Darmflora auf das Gewicht
Bewegungsmangel, hochkalorische sowie einseitige ErnƤhrung und Stress kƶnnen für zu viel Kƶrperfülle verantwortlich sein. Aber auch die Zusammensetzung der Darmflora spielt dabei eine entscheidende Rolle. Was sie beeinflusst und mit welchen Tipps man ausbalanicert leben kann, erfahren Sie hier.Ā Ā
Kaum etwas hat in unserer Gesellschaft einen derart hohen Stellenwert wie das ideale Erscheinungsbild und Kƶpergewicht. Dabei ist es offensichtlich schwierig, tatsƤchlich das gesunde MittelmaĆ zu finden: Einerseits werden in sozialen und ƶffentlichen Medien nach wie vor (wenn auch mit leicht sinkender Tendenz) extrem schlanke Kƶrper zur Schau gestellt und unerreichbare Wunschvorstellungen geschaffen, andererseits prƤsentieren Gesundheitsorganisationen alarmierende Zahlen, wonach die Anzahl übergewichtiger und adipƶser Menschen im deutschsprachigen Raum bei ca. 30% liegt. Anscheinend stellt es Individuen vor eine immer grƶĆere Herausforderung, das persƶnliche Idealgewicht zu finden, welches der eigenen Gesundheit nicht schadet und mit welchem man selbst glücklich ist.
Body-Mass-Index (BMI)
Als Wegweiser zum individuellen Wohlfühlgewicht dienen von der Wissenschaft definierte MessgrƶĆen, welche jedermann selbst eruieren kann: Das Kƶrpergewicht in Kilogramm, dividiert durch die KƶrpergrƶĆe in Metern zum Quadrat (kg/m2), ergibt den sogenannten Body-Mass-Index (BMI). Liegt dieser über 24 bei Frauen bzw. über 25 bei MƤnnern, spricht man von Ćbergewicht. Ab einem BMI von 30 bezeichnet man dieses Ćbergewicht als krankhaft bzw. als Adipositas. Allerdings ist der BMI allein nur bedingt aussagekrƤftig, weil er die Kƶrperanteile von Fett und Muskeln nicht berücksichtigt: So wƤren sportliche Personen mit einem hohen Anteil an Muskelmasse, bemessen am Body-Mass-Index, wahrscheinlich übergewichtig, da Muskeln mehr wiegen als Fett. Deshalb wird zusƤtzlich die Waist-to-Hip-Ratio (WHR) herangezogen: Sie gibt Aufschluss über das VerhƤltnis zwischen Taille und Hüfte und kann damit anzeigen, wie das Kƶrperfett verteilt ist. Salopp formuliert: Etwas āHüftgoldā schadet der Gesundheit weniger als viel āBauchspeckā. Dieses sogenannte viszerale Fett, welches in der Bauchhƶhle eingelagert ist und die inneren Organe umhüllt, erhƶht nƤmlich unter anderem das Risiko, diverse Krankheiten zu erleiden, nƤmlich Herzinfarkt, Bluthochdruck, Schlaganfall, Arteriosklerose, Diabetes, Thrombose, Alzheimer und Krebs. Zur Ermittlung der WHR werden der Umfang der Taille (in der Mitte zwischen Beckenkamm und Rippenbogen, also etwas oberhalb des Bauchnabels) und jener der Hüfte (an der breitesten Stelle des GesƤĆes) gemessen und ersterer durch letzteren dividiert (Taille/Hüfte). Das Ergebnis sollte bei Frauen kleiner als 0,85 sein und bei MƤnnern unter 1 liegen.
Ist das Ćbergewicht veranlagt?
Ebenfalls gelƤufig sind den meisten Leuten jene Hauptfaktoren, die Ćbergewicht begünstigen und die jeder selbst beeinflussen kann: Bewegungsarmut, übermƤĆige Nahrungszufuhr sowie der Verzehr ungesunder Nahrungsmittel. Dennoch scheint es, dass manche Menschen bei wenig kƶrperlicher AktivitƤt essen kƶnnen, so viel sie wollen, und dabei ihr Gewicht halten, wƤhrend andere bereits zunehmen, wenn sie kulinarische Genüsse nur in winzigsten Mengen konsumieren. Die genetische Veranlagung spielt in diesem Zusammenhang natürlich eine zentrale Rolle, zusehends nimmt die Wissenschaft hier aber auch die Darmflora genau unter die Lupe. Eine wesentliche Erkenntnis besteht darin, dass sich Zusammensetzung und Vielfalt der Darmbakterien bei schlanken und übergewichtigen Menschen unterscheiden. Deutlich zeigen sich Abweichungen bei den Vertretern der BakterienstƤmme Bacteroidetes und Firmicutes. Erstere dominieren in den DƤrmen normalgewichtiger Menschen, wƤhrend letztere StƤmme bei adipƶsen Personen überwiegen. Im Idealfall sind diese beiden Bakteriengruppen im Darm in einem ausgewogenen VerhƤltnis vorhanden. Das VerhƤltnis kann bei übergewichtigen Menschen aber so stark verschoben sein, dass im Darm bis zu 2.000 Mal mehr Firmicutes vorkommen als Bacteroidetes, was sich unmittelbar auf den Energiestoffwechsel auswirkt. Das Mikrobiom von Menschen, die zu Ćbergewicht neigen, produziert deutlich mehr Enzyme, die nicht oder schwer verdauliche Kohlenhydrate aufspalten kƶnnen. Somit ziehen die Firmicutes-Bakterien wesentlich mehr Energie aus ihrer Nahrung als die Bacteroidetes. Verantwortlich dafür ist vor allem eine Untergruppe der Firmicutes-Bakterien, nƤmlich die Clostridien. Ihre Aufgabe, die Nahrung mƶglichst effizient zu verwerten, war in der Evolution des Menschen einmal ganz entscheidend: In Zeiten, als hochkalorische Nahrung noch nicht immer und überall zur Verfügung stand, war es für das Ćberleben notwendig, auch noch die letzten Kalorien aus den Lebensmitteln zu extrahieren. Heute, in unserer Zeit des Nahrungsüberflusses, stellt eine übermƤĆige Besiedelung des Darms mit diesen speziellen Firmicutes eher einen Fluch als einen Segen dar: Je mehr Kohlenhydrate ā vor allem je mehr āschlechteā wie Zucker und Produkte aus WeiĆmehl ā dem Kƶrper zugeführt werden, desto aktiver vermehren sich die besagten BakterienstƤmme. Bakterien aus der Familie der Bacteroidetes besitzen hingegen die Eigenschaft, unverbrauchte Kohlenhydrate vermehrt aus dem Darm zu transportieren. Dies lƤsst sich klar belegen, indem der Restenergiewert des Stuhls von Normalgewichtigen und Ćbergewichtigen verglichen wird: Bei schlanken Menschen liegt der Kaloriengehalt des Stuhls deutlich hƶher als bei Ćbergewichtigen, es āverlassenā bei Normalgewichtigen also mehr Energielieferanten den Kƶrper, die nicht benƶtigt wurden. Somit entscheidet auch die Beschaffenheit der Darmflora darüber, ob jemand ein guter oder schlechter Kostverwerter ist. Zu welcher Gruppe man selbst zƤhlt, kann man in vielen Apotheken mittels einer Stuhlanalyse testen lassen.
Darmflora als Basis für Gesundheit und Krankheit
Ein unausgewogenes Mikrobiom ƤuĆert sich nicht nur durch eine erhƶhte NƤhrstoffaufnahme bzw. -verwertung. Manche jener Bakterien, die bei übergewichtigen Personen vermehrt vorkommen kƶnnen die Funktion der Darmbarriere vermehrt stƶren (Leaky Gut) und chronische Entzündungen im Darm ābefeuernā. Infolgedessen gelangen vermehrt bakterielle Giftstoffe (Endotoxine) und Schadstoffe aus der Nahrung in den Organismus, was sich negativ auf die Leber auswirkt (beispielsweise werden eine nichtalkoholische Fettleber oder Leberfunktionsstƶrungen begünstigt), was auch eng mit einer gestƶrten Reaktion des Kƶrpers auf das Hormon Insulin korreliert. Diese wiederum ist der Ausgangspunkt für Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstƶrungen und Insulinresistenz ā sie kann letztlich zur Entstehung eines Metabolischen Syndroms führen.
Das Fettgewebe dient als Energiereserve, damit der Mensch bis zu 40 Tage ohne Nahrungszufuhr überleben kann. Bei Normalgewichtigen beträgt der Fettanteil 15-25%, bei übergewichtigen Menschen können über 50% des Körpers aus Fett bestehen.
Eine (ungünstige) Zusammensetzung der Darmflora muss jedoch keineswegs als gegeben hingenommen werden, sondern kann auch wieder in Richtung eines gesunden Mikrobioms verƤndert werden: Untersuchungen zeigen, dass die Darmflora von normalgewichtigen Menschen erstaunlich rasch reagierte, als diese ihre gewohnte ErnƤhrung auf eine hochkalorische Kost umstellten. Der Anteil der ādickmachendenā Firmicutes-Bakterien nahm zu, wƤhrend die āgutenā Bacteroidetes-Bakterien um bis zu 20 Prozent dezimiert wurden. Das bewirkte eine erhƶhte Energieausbeute von immerhin bis zu 215 Kilokalorien pro Tag, was nicht nach besonders viel klingen mag. Doch auf ein Jahr gerechnet, kann das eine Gewichtszunahme von 10 kg bedeuten.
Mit dem Darm zur Wunschfigur
Der Weg zu einem gesunden Wohlfühlgewicht ist ā gerade in unserer heutigen Gesellschaft ā kein einfacher und inkludiert Hindernisse in Form omniprƤsenter Versuchungen (vom Imbiss-Stand über SüĆigkeiten bis hin zu Soft Drinks) und ungünstiger sozialer Gepflogenheiten (wƤhrend der Faschingszeit gibt es tƤglich Krapfen (Berliner), der Osterhase bringt Nester voller SüĆigkeiten, Schokolade ist ein Seelentrƶster). Deshalb ist es wichtig, nicht mittels kurzfristiger Crash-DiƤten schnell ein paar Kilogramm zu verlieren, die nach kurzer Zeit in doppelter Menge wieder zurückkommen, sondern an mehreren RƤdchen gleichzeitig zu drehen, um die Wunschfigur zu erreichen und zu halten. Eines dieser RƤdchen ist die Modulation der Darmflora, die sich von ādickmachendā auf āschlankmachendā umprogrammieren lƤsst: GroĆe Studien zeigten tatsƤchlich, dass die Dysbalance der Darmbakterien durch die langfristige Einnahme von speziellen Probiotika positiv beeinflusst werden kann, unter anderem indem die zugeführten BakterienstƤmme die āDickmacherbakterienā verdrƤngen. Die āSchlankmacherā Bacteroidetes kƶnnen ebenfalls zur nachhaltigen Ansiedelung im Darm und zur Vermehrung motiviert werden. Da diese grƶĆtenteils anaerob sind (das bedeutet, dass sie bei Kontakt mit Sauerstoff nicht lebensfƤhig sind), kƶnnen sie nicht einfach āeingenommenā werden, jedoch kann man ihnen entsprechende Nahrungsquellen zur Verfügung stellen: AusgewƤhlte Ballaststoffe schmecken den āFigurschmeichlernā besonders gut und sind der Wunschfigur in unterschiedlicher Hinsicht zutrƤglich: Ihre quellende Eigenschaft bewirkt nƤmlich aufgrund der VergrƶĆerung des Magen- und Darminhalts ein (langanhaltendes) SƤttigungsgefühl. AuĆerdem regen Ballaststoffe den Darm zu mehr Bewegung an und transportieren den Nahrungsbrei schneller durch den Verdauungstrakt. Somit verbleibt die Nahrung nicht lange genug im Dickdarm, als dass sich die Firmicutes daran satt essen kƶnnten. Manche Ballaststoffe mƶgen die āgutenā Darmbewohner sehr gerne, und dazu gehƶrt vor allem Pektin, das in besonders groĆer Menge z. B. in Ćpfeln enthalten ist. Neben Pektin zƤhlen auch Inulin oder Oligofruktosen zu den prƤbiotischen Ballaststoffen. Diese findet man unter anderem in ChicorĆ©e, Schwarzwurzeln, Lauch, Hülsenfrüchten, Pastinaken oder Topinambur. Alternativ gelingt die Versorgung mit entsprechenden PrƤbiotika aus der Apotheke.
Einen weiteren Beitrag zur Wunschfigur liefert die Bittergurke (Momordica charantia) ā auch Bittermelone genannt. In der ayurvedischen Medizin schƤtzt man dieses tropische KürbisgewƤchs bereits seit langer Zeit für seine gesundheitsfƶrdernde Wirkung und setzt es unter anderem bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes ein. Kürzlich konnten Forscher der UniversitƤt GieĆen in Tierversuchen eine Reduktion des Blutzuckerspiegels um durchschnittlich 15 Prozent feststellen. Darüber hinaus scheinen einige Inhaltsstoffe der Bittergurke einen gewichtsreduzierenden Effekt zu haben und den Stoffwechsel anzukurbeln.
PrƤ- und Probiotika kƶnnen also den Weg zum Wohlfühlgewicht ebnen ā gehen muss man ihn jedoch selbst. Sich allein auf den Darm zu verlassen und sich gƤnzlich zurückzulehnen, wird nicht das erwünschte Ergebnis bringen. Mit maĆvoller und ausgewogener ErnƤhrung, ausreichend kƶrperlicher AktivitƤt und eventuell mit psychologischer Unterstützung (etwa um Verhaltensmustern wie āStressessenā beizukommen), kann man das individuelle Wunschgewicht erreichen und langfristig halten ā und mit einem gesunden Kƶrper durchs Leben gehen.
Tipps für den Weg zur Wunschfigur
Ausgewogene ErnƤhrung
Wie viele Kalorien man zu sich nehmen sollte, ist individuell verschieden. Der Bedarf errechnet sich aus dem Grundumsatz (das sind bei einer Frau mit 60 kg zirka 1.300 kcal, bei einem Mann mit 80 kg zirka 1.900 kcal) und dem Leistungsumsatz, welcher sich aus der körperlichen Betätigung ergibt. Wenn die Energiebilanz nicht mehr stimmt, wenn man also mehr isst als verbrennt, nimmt man an Gewicht zu. Achten Sie beim Essen auf ballaststoffreiche Lebensmittel, viel Gemüse und reichlich Hülsenfrüchte, hingingen sollten stark verarbeitete Fleisch-, Fisch- und Wurstprodukte sowie Frittiertes eher selten auf den Teller kommen. Um zu wissen, was Sie tatsächlich zu sich nehmen, lohnt sich ein Blick aufs Etikett der Lebensmittel, denn häufig sind in scheinbar gesunden Lebensmitteln viel Zucker und Fett versteckt. Frisch und selbst zubereitet, schmeckt es am besten!
Ausreichend Bewegung
Für Erwachsene gilt: Mindestens 2 1/2 Stunden kƶrperliche AktivitƤt pro Woche bei mittlerer IntensitƤt oder 1 1/4 Stunden bei hoher IntensitƤt. Für welche Sportart man sich entscheidet, ist letztendlich Geschmackssache, Hauptsache, sie macht SpaĆ. Allerdings sollten sich Menschen mit starkem Ćbergewicht oder anderen gesundheitlichen Problemen vor Beginn ihrer sportlichen Karriere einem Ƥrztlichen Check unterziehen. Bewegung lƤsst sich aber auch vielseitig in den Alltag integrieren: Treppen steigen, anstatt den Lift zu benutzen, mit dem Rad zur Arbeit fahren ā anstatt mit dem Auto, kleine Lockerungs- oder Dehnübungen zwischendurch am Arbeitsplatz ⦠Ćbrigens: Wussten Sie, dass sich Bewegung auch positiv auf Ihre Darmbakterien auswirkt?
Im Bestseller āDie Darm-DiƤtā (Kneipp-Verlag, ⬠17,90) erfahren Sie mehr über den Zusammenhang zwischen Darm und Wohlfühlgewicht sowie über schmackhafte Rezepte. Besonders begeisterte Kƶche finden in āNo Carbs ā das Kochbuch zur Darm-DiƤtā (Kneipp-Verlag, ⬠18,-) noch weitere leichte Gerichte für den Darm.